EMI: Deutsche Industrie beendet drittes Quartal im tiefroten Bereich

Das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland ist auch gegen Ende des dritten Quartals 2023 stark geschrumpft. Die Industrieproduktion wurde im September so stark gedrosselt wie seit fast dreieinhalb Jahren nicht mehr, teilte der Finanzdienstleister S&P Global in London mit. Danach verbesserte sich der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI) zwar leicht auf 39,6 Punkte nach 39,1 im August und erreichte ein 3-Monatshoch. Dennoch blieb er deutlich unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Im Juni 2022 hatte der EMI mit 52 Punkten zum letzten Mal über der psychologisch wichtigen Referenzlinie gelegen.

In den meisten Fällen wurde die erneute Drosselung der Fertigung dem rückläufigen Neugeschäft zugeschrieben. So berichteten viele EMI-Umfrageteilnehmer, dass die Nachfrage nach wie vor aufgrund mehrerer Faktoren sinke. Dazu zählten die Verunsicherung der Kunden, der Abbau von Lagerbeständen sowie der schwächelnde Bausektor.

„Der aktuelle EMI zeigt deutlich: Die wirtschaftliche Lage ist alarmierend. Fast alle wichtigen Teilbereiche des Einkaufsmanagerindex stehen auf Rot“, betonte BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov. So dümpelten die Teilindizes Auftragseingang, Industrieproduktion, Beschäftigung, Auftragsbestand sowie Einkaufs- und Verkaufspreise seit Monaten zum Teil weit unter der 50-Punkte-Wachstumsmarke dahin. Angesichts der schwachen Konjunktur appellierte Melnikov an die Politik, jetzt „die Zügel in die Hand zu nehmen“. Reformen zur Standortsicherung Deutschlands müssten energisch umgesetzt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern. Den Firmen riet die BME-Hauptgeschäftsführerin, ihr Risikomanagement an die veränderten globalen Rahmenbedingungen anzupassen sowie Digitalisierung und KI als Hebel zur Verbesserung ihrer Marktposition intensiv zu nutzen.

„Die Stimmung in der deutschen Industrie ist weiterhin schlecht, aber zumindest verlangsamt sich der Abwärtstrend“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Der Preisdruck lasse weiter nach, so dass mit zeitlicher Verzögerung auch der Inflationsdruck auf der Konsumentenseite weiter zurückgehe. „Diese Signale sollte die EZB endlich wahrnehmen. Der letzte Zinsschritt war schon einer zu viel. Die Geldpolitik wird zur Wachstumsbremse. Auch in der EZB gibt es erste Stimmen, die in Erwägung ziehen, dass die EZB nicht nur zu spät, sondern auch zu heftig reagiert hat. Die Diskussion der nächsten Monate wird sich somit darauf konzentrieren, wann die EZB den Mut hat, den Grundton von ‚Zinspause‘ auf ‚Ende der Zinserhöhungen‘ zu ändern“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.

„Eine Trendwende ist dies sicherlich noch nicht, allenfalls ist der Sturzflug bei der Unternehmensstimmung abgebremst worden. Zwar sollte sich die Konsumnachfrage mit langsam durchwirkenden Lohnsteigerungen in den kommenden Monaten wieder verbessern, das reicht aber nicht aus, um den Konjunkturdampfer Deutschland wieder flottzumachen“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, dem BME.

„Die Stimmung in der Industrie ist schlecht. Die Auftragslage ist mau und die Unternehmen zehren von ihren Auftragsbeständen. Hohe Zinsen, nach wie vor hohe Energiepreise und unbeständige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen belasten zudem das Investitionsklima hierzulande. Ein positiver Impuls für die Wirtschaft ist derzeit nicht in Sicht – auch nicht aus dem Ausland. Denn auch die Weltkonjunktur läuft derzeit nur schleppend“, teilte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen dem BME mit.

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dennis Rheinsberg, Direktor – Energy & Industrials der IKB Deutsche Industriebank AG, dem BME folgende Einschätzung: „Die Tendenz des Vormonats setzte sich im September fort. Die Preise der börsennotierten Industriemetalle bewegten sich überwiegend seitwärts, nur die energetischen Rohstoffe Öl und Gas verteuerten sich um jeweils rund zehn Prozent. Beim Rohöl zeigen die Förderkürzungen der OPEC weiterhin ihre Wirkung. Beim Erdgas belasteten zuletzt nur Unsicherheiten bezüglich der norwegischen Liefermengen. Gute LNG-Verfügbarkeit bei sehr hohen Speicherfüllständen und eine eher mäßige Nachfrage hätten nach Erwartung vieler Marktteilnehmer preissenkend wirken sollen, was in den ersten Tagen des Monats Oktober auch eingetreten ist. Insgesamt sind von der Rohstoffseite somit noch keine Impulse für eine nachhaltige Trendumkehr bei den Einkaufspreisen zu erwarten.“

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Produktion: Der saisonbereinigte Teilindex Produktion rutschte noch tiefer in den roten Bereich ab und notierte auf dem niedrigsten Stand seit Mai 2020. Alle drei Teilbereiche der Industrie verzeichneten kräftige Einbußen, was in den meisten Fällen den rückläufigen Neuaufträgen zugeschrieben wurde.

Auftragseingang: Die aktuellen Daten deuten auf eine anhaltende Nachfrageflaute im Verarbeitenden Gewerbe hin. So gingen die Neuaufträge abermals deutlich und den 18. Monat in Folge zurück. Die Verunsicherung unter den Kunden, der Abbau von Lagerbeständen sowie die schleppende Baukonjunktur waren nur einige der Faktoren für den jüngsten Rückgang.

Auftragseingang Export: Auch im Exportgeschäft schlug erneut ein Minus zu Buche, wenngleich es kleiner ausfiel als das im Gesamt-Auftragseingang. Der saisonbereinigte Teilindex blieb gegenüber dem Vormonat nahezu unverändert und unter dem Durchschnitt der seit 19 Monaten andauernden Schrumpfungsphase. Rund 37 Prozent der Befragten meldeten ein rückläufiges Auslandsgeschäft und schrieben dies hauptsächlich den niedrigeren Umsätzen in Asien und Europa zu.

Geschäftsaussichten: Die Umfrageergebnisse vom September zeigen eine deutliche Verschlechterung der Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist. Nachdem der entsprechende Teilindex im August noch leicht zugelegt hatte, stürzte er nun auf den tiefsten Stand seit November 2022 ab. Demnach kam es angesichts der sich zusehends verschlechternden Konjunktur (vor allem im Baugewerbe) und des hartnäckig hohen Inflationsdrucks in allen Teilbereichen der Industrie zu einem spürbaren Stimmungseinbruch.

Beschäftigung: Zum dritten Mal in Folge ging die Beschäftigung in der Industrie leicht zurück. Obwohl sich der Stellenabbau beschleunigte, fiel er weniger kräftig aus als die Rückgänge der Produktion und der Auftragseingänge. Tatsächlich beschränkte sich die Reduzierung auf den Vorleistungsgüterbereich, wo oftmals ausgeschiedene Mitarbeiter sowie Leiharbeiter nicht ersetzt wurden.

Einkaufspreise: Der saisonbereinigte Teilindex notierte zum achten Monat in Folge unter der Referenzlinie von 50,0 Punkten, was ein Zeichen für den anhaltenden Abwärtsdruck auf die durchschnittlichen Kosten in der Beschaffung ist. Laut Befragten waren die fallenden Rohstoffpreise und der erbitterte Preiskampf unter den Zulieferern die beiden Hauptgründe für den Abwärtstrend. Obwohl der Teilindex immer noch deutlich unter der 50-Punkte-Marke liegt, stieg er zum zweiten Mal hintereinander an und signalisierte den geringfügigsten Rückgang seit April dieses Jahres, was vereinzelten Rückmeldungen zufolge dem höheren Ölpreis zugeschrieben werden kann.

Verkaufspreise: Der harte Wettbewerb um Neuaufträge führte dazu, dass viele Hersteller ihre niedrigeren Kosten an die Kunden weitergaben, was sich wiederum in der vierten Reduzierung der Verkaufspreise in Folge widerspiegelte. Die Schrumpfungsrate war solide und etwas stärker als im Vormonat. Alle drei Teilbereiche verzeichneten Rückgänge angeführt vom Vorleistungsgüterbereich.

Über den EMI: Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird von S&P Global, einem börsennotierten US-amerikanischen Finanzdienstleistungskonzern, erstellt und beruht auf der Befragung von rund 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der Verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (S&P Global US Manufacturing PMI).

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