Projekt »LowEx im Bestand« entwickelt und demonstriert Wärmeversorgung für Mehrfamiliengebäude im Bestand

Wärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie der Wärmewende. Ihr Einsatz in Mehrfamilien-Bestandsgebäuden ist noch eine Herausforderung: Diese Gebäude stellen spezielle Anforderungen sowohl an die Übergabesysteme für Raumwärme und Warmwasser als auch an die Erschließung von Umweltwärme. Im Verbundprojekt »LowEx im Bestand« wurden Lösungen für den Einsatz von Wärmepumpen, Wärmeübergabe- und Lüftungssystemen in energetisch sanierten Mehrfamilienhäusern (MFH) analysiert, entwickelt und demonstriert. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, das INATECH der Universität Freiburg und das Karlsruher Institut für Technologie zeigen im Abschlussbericht Lösungsansätze und beispielhafte Umsetzungen auf.

Ein Blick auf die Struktur des Gebäudesektors macht deutlich, dass in Bestandsgebäuden der größte Hebel für die Wärmewende liegt: 62 Prozent der Gebäude wurden vor der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 errichtet und verursachen rund zwei Drittel des Endenergieverbrauchs im Sektor. Wärmepumpen bieten erhebliches Potenzial zur Absenkung der CO2-Emissionen, wenn man sie in sogenannten LowEx-Systemen einsetzt. Diese arbeiten durch geringe Temperaturdifferenzen zwischen Heizmedium und Nutzwärme besonders effizient. Während sie in Ein- und Zweifamiliengebäuden im Neubau und im Bestand vermehrt eingesetzt werden, sind Wärmepumpen im Geschosswohnungsbau noch wenig verbreitet. Das Fraunhofer ISE arbeitet schon seit Jahren an dem Thema, das nun aufgrund steigender Energiepreise stärker in den Fokus rückt.

»Die Herausforderungen liegen hier in der höheren erforderlichen Leistung des Wärmeerzeugers und der Lage der Gebäude in dicht bebauten Quartieren. Zudem erfolgt die Wärmeübergabe und die Trinkwasserbereitstellung in diesen Gebäuden häufig mit hohen Vorlauftemperaturen«, erläutert Jeannette Wapler vom Fraunhofer ISE. Die Lösungsansätze im Projekt hätten daher die Themen Quellenerschließung und die Absenkung von Systemtemperaturen in den Mittelpunkt gestellt.

Ganzheitliche Analyse von Wärmeversorgung und Sanierung

Im Analyse-Teil des Vorhabens wurde die Zuordnung von Systemkonzepten zu Mehrfamilienhaus-Gebäudetypen unter Einbeziehung des Nutzerkomforts, wirtschaftlicher Aspekte und der erreichbaren CO2-Emissions-Senkung systematisch untersucht und bewertet. Das Forschungsteam führte dabei eine ganzheitliche Analyse der Wärmeversorgung von der Niedertemperaturquelle bis zur Wärmeübergabe durch. Betrachtet wurden dabei u.a. die Potenziale einer Solarisierung der Gebäudehülle, mögliche Quellenkombinationen und der Einsatz von Hybridsystemen.  

Neue LowEx- Technologien für Mehrfamiliengebäude

In fünf Teilprojekten entwickelte das Forschungsteam gemeinsam mit Industriepartnern neue LowEx-Komponenten und -systeme für Mehrfamilienhäuser. So wurde mit dem Heizungshersteller Viessmann im Projekt »HEAVEN« ein Mehrquellen-Wärmepumpensystem entwickelt. In Innenstädten reicht häufig die Fläche für Erdsondenbohrungen nicht aus und die Wärmequelle Außenluft ist vergleichsweise ineffizient und weist höhere Schallemissionen auf. Das Mehrquellen-Wärmepumpensystem kombiniert die Vorteile der beiden Wärmequellen Außenluft und Erdreich, sodass nur eine reduzierte Bohrfläche benötigt wird und dennoch die hohe Effizienz einer Solewärmepumpe erzielt wird.

»Bei der Sanierung von Mehrfamilienhäusern kommt auch der dezentralen Wohnraumlüftung eine wichtige Rolle zu, da hier erhebliche Energieeinsparpotenziale schlummern und die nachträgliche Installation deutlich einfacher und kostengünstiger ist«, erklärt Prof. Andreas Wagner vom KIT. Im Projekt wurde daher die Regelung von dezentralen Lüftungsgeräten optimiert und eine Methode zur Bewertung dieser Geräte entwickelt. Dafür wurde eine nutzer-zentrierte, selbstlernende Regelung für dezentrale Pendellüfter am Fraunhofer ISE entwickelt und im Energy Smart Home Lab des KIT erfolgreich demonstriert.

In weiteren Projekten wurden ein Hybridsystem (Wärmepumpe in Kombination mit fossil befeuertem Wärmeerzeuger), eine Wärmepumpe mit einem Kältemittelkreislauf auf Basis des natürlichen Kältemittels Propan, fassadenintegrierte Lüftungsgeräte sowie Hochtemperaturwärmepumpen entwickelt.

Demonstratoren bringen Nachweis der Machbarkeit von Wärmepumpen im Bestand

Die in den Technologieprojekten entwickelten Versorgungstechnologien wurden in drei beispielhaften Sanierungsprojekten eingesetzt, messtechnisch detailliert begleitet und bewertet. »Wertvoll war dabei die Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft, der Wärmepumpenindustrie und den Energieversorgern, die ihre verschiedenen Sichtweisen in das Projekt eingebracht haben«, erklärt Projektleiterin Dr.-Ing. Constanze Bongs vom am Fraunhofer ISE.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten sowohl die Performance der demonstrierten LowEx-Systeme als auch den Sanierungsprozess an sich.

In Kooperation mit der KES Karlsruher Energieservice GmbH realisierte das Team ein komplexes Energieversorgungskonzept für fünf Bestands-MFH mit 160 Wohnungen in Karlsruhe-Durlach. Die neue Energieversorgung basiert auf der smarten Kombination von Technologien: Alle Dächer wurden mit Photovoltaik-Anlagen belegt. Zwei Gebäude werden durch Wärmepumpen mit Spitzenlast-Gaskessel versorgt. Für eine CO2-arme Wärmeerzeugung müssen solche hybriden Systeme so ausgelegt werden, dass die Wärmepumpe einen möglichst hohen Deckungsgrad erreicht und der Gaskessel entsprechend selten arbeitet. In einem der Gebäude kommt das in »HEAVEN« entwickelte Wärmepumpensystem mit kombinierter Wärmequelle (Außenluft, Erdwärme) zum Einsatz. Drei weitere Gebäude sind mit einem Nahwärmenetz verbunden, das von Erdgas-BHKW-Aggregaten versorgt wird. Der erzeugte Strom wird unter anderem für den wirtschaftlichen Betrieb der dezentralen Wärmepumpen verwendet. Wärmepumpen, BHKW und PV-Anlagen sind miteinander verbunden und werden durch ein Energiemanagementsystem so gesteuert, dass die Wärmepumpen möglichst wirtschaftlich mit lokal erzeugtem Strom betrieben werden.

Im ersten Betriebshalbjahr erzielte die »HEAVEN«-Mehrquellenhydraulik hohe Quelltemperaturen mit einem Mittelwert von 8 Grad C, was im ersten ausgewerteten Betriebshalbjahr (Februar – Juli 2022) zu einer guten Jahresarbeitszahl von 3,2 beitrug. Dass der Spitzenlast-Gaskessel einen Anteil von 31 Prozent an der Wärmebereitstellung hatte, ist in erster Linie auf die hohen Temperaturanforderungen für hygienisches Trinkwarmwasser zurückzuführen. Insgesamt erzielt die Anlage eine Einsparung von CO2-Äquivalenten von 42 Prozent im Vergleich zum Projektstart. Gegenüber dem ungedämmten Erbauungszustand von 1963 entspricht dies sogar einer CO2-Reduktion um 73 Prozent. Ein optimierter Betrieb mit geringerem Gaseinsatz, eine höhere Arbeitszahl der Wärmepumpe oder eine geringere CO2-Intensität des Strommix können zukünftig die CO2-Emissionen weiter senken. Das modellhafte Energiekonzept kann auf weitere Quartiere mit MFH-Bestandsgebäuden übertragen werden.

»Die Demonstratoren haben die Machbarkeit der Sanierung von MFH mit Wärmepumpen und LowEx-Technologien nachgewiesen. Wichtig ist, sich die jeweilige Situation, einschließlich der Übergabesysteme und des Platzes im Heizungskeller, anzuschauen. Bei der Sanierung sollte unbedingt ein hydraulischer Abgleich des Heizungssystems eingeplant werden und geprüft werden, ob mit dem Austausch einzelner Heizkörper die Vorlauftemperaturen weiter abgesenkt werden können«, betont Dr.-Ing. Manuel Lämmle, der das Projekt am INATECH betreut.

Weiteren Forschungsbedarf sieht das Team u.a. bei der Entwicklung von Lösungen für den Ersatz von Gasetagenheizungen, der Hochtemperatur-Bereitstellung und der Trinkwassererwärmung durch Wärmepumpen. Im neuen Projekt »LCR290« werden daher Wärmepumpen mit dem umweltfreundlichen Kältemittel Propan für den Einsatz in MFH entwickelt.

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