
EnsAK (Entwicklung einer neuartigen, solarbetriebenen Abwasserbehandlung für den Katastrophenfall) heißt das Forschungsprojekt, das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt mit 242.500 Euro gefördert wird. Es ist auf insgesamt zwei Jahre angelegt. Neben den Projektpartnern der Firma Saygin & Stein, der THM und der EMW filtertechnik GmbH ist der Zweckverband Lollar-Staufenberg ideeller Projektpartner.
Die kleine Kläranlage, die aktuell in Lollar betrieben wird, hat die Firma Saygin & Stein innerhalb weniger Tage aufgebaut. So, wie es auch im Katastrophenfall funktionieren muss. THM-Student Louis Müller betreut und wartet die Anlage. Er studiert Klimaschutz, Umwelt- und Sicherheitsingenieurwesen im Master. Alle zwei Tage ist er vor Ort, gibt es Probleme, ist er täglich da. „Das vorgereinigte Abwasser aus der Kläranlage fließt in den Reaktor. Es ist bereits im Rechenhaus von grobem Schmutz befreit worden und durch einen Sand- und Fettfang gelaufen“, erklärt Müller. Er öffnet den Deckel des Reaktors, Schaumstoffwürfel wirbeln durch das Abwasser. Auf die Würfel sind Mikroorganismen geimpft worden. Sie bilden einen Biofilm, der sich immer wieder selbst erneuert. Der Schlamm, der durch den abfallenden Biofilm entsteht, setzt sich im Nachklärbecken der Versuchsanlage ab. Danach könnte das gereinigte Abwasser wieder in einen Fluss geleitet werden. In Lollar durchläuft es noch einmal die Kläranlage.
„Mit unserer Versuchskläranlage können wir schon den strengen Grenzwert bei der organischen Schmutzfracht einhalten, der in Deutschland für große Kläranlagen gilt. Dieser wird als chemischer Sauerstoff gemessen und von unserer Anlage zu 90 Prozent reduziert“, erklärt Professor Röhricht. Stickstoff im Abwasser, der den Gewässern durch Überdüngung schadet, wird bereits zu 60 bis 70 Prozent eliminiert. Regelmäßig wird das im Reaktor gereinigte Wasser überprüft. Sonntags, dienstags und donnerstags werden Proben genommen, die als Mischproben ins THM-Labor gebracht werden. Das heißt, das Abwasser aus einem gesamten Zwölf-Stunden-Zyklus wird in einem Probenbehälter gesammelt und anschließend im Labor analysiert.
In neuen Versuchsreihen im THM-Labor, die parallel weiterlaufen, will das Forschungsteam zum einen herausfinden, wie die Verweildauer des Abwassers von aktuell 16 Stunden im Reaktor auf etwa zehn Stunden gesenkt werden kann. Zum anderen ist es das Ziel, auch weniger Würfel einsetzen zu können. Diese machen aktuell noch etwa 30 Prozent des Reaktorvolumens aus, wie Röhricht erklärt.
Biotechnologie-Student Nicolas Jost untersucht aktuell im Labor noch unterschiedliche Materialien für die Würfel, feinporiges und grobporiges Material. Außerdem läuft ein Versuch mit höherer Abwasserlast. Er wird darüber seine Masterarbeit schreiben.
Die Versuchsanlage in Lollar soll einen kompletten Jahreszyklus durchlaufen, um zu sehen, wie gut das Abwasser auch bei unterschiedlichen Temperaturen gereinigt wird. Nach dem Versuch soll die optimierte Anlage überall dort eingesetzt werden können, wo Krisen oder Kriege Menschen in Notsituationen bringen.
Die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) ist eine der größten Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) in Deutschland und bietet über mehr als 80 Studiengänge an 12 Fachbereichen und das duale Studienangebot von „StudiumPlus“ an. Die Hauptstandorte Friedberg, Gießen und Wetzlar liegen verkehrsgünstig in der hessischen Rhein-Main-Region. Die derzeit mehr als 15.600 Studierenden der THM profitieren von bewährten Studienbedingungen und kleinen Lerngruppen sowie von der Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen. Unter den HAWen zeichnet sich die THM durch ihre anwendungsbezogene Forschungsstärke aus. Neben acht eigenen, interdisziplinären Kompetenzzentren besteht eine Zusammenarbeit mit den Universitäten in Gießen und Marburg, über die auch kooperative Promotionen in den Ingenieurwissenschaften möglich sind. Als erste HAW eröffnete die THM 2016 zudem ein eigenständiges Promotionszentrum und besitzt seither das Promotionsrecht für den Doktoringenieur.
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